Samstag, 24. Januar 2009
 
Aufdeckerjournalistin in Ungarn halbtotgeprügelt PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Sonntag, 24. Juni 2007

Schwer verletzt und gefesselt an Händen und Füßen wurde die ungarische Journalistin Iren Karman Freitag abend von einem Fischer am Donauufer in Budapest aufgefunden. Das Attentat durch unbekannte Schläger wird allgemein mit der Recherchetätigkeit der 40jährigen in Zusammenhang gebracht. Sie war den Querverbindungen einer Schmuggelmafia auf der Spur, die in die Sicherheitsbehörden und die Politik hineinreichen.

Mit dem Buch "Gegen die Mafia" wurde die beherzte Journalistin landesweit bekannt und geriet ins Visier der Mächtigen, gegen die sie anschreibt. Es geht um Betrug mit subventioniertem Heizöl. Schon im vergangenen September war ihr Auto aufgeknackt und eine Sporttasche mit Prozessakten sowie Dokumenten und einem Video über den Ölskandal gestohlen worden.
Anfang der 1990er Jahre, als der wirtschaftliche und politische Umbruch begann, blühte die Wirtschaftskriminalität. Wie in vielen Ländern, wird in Ungarn das Heizöl subventioniert und zur besseren Kenntlichkeit rot eingefärbt. Dadurch unterscheidet es sich vom farblosen Dieseltreibstoff, der an den Tankstellen weit teurer verkauft wird. Die ungarische Ölmafia entzog dem billigen Importheizöl, das nur geringfügig verzollt werden musste, die Farbe und verkaufte es als Diesel. Damit sollen Gewinne von rund einer halben Milliarde US-Dollar gemacht worden sein.

Iren Karman war zuletzt den unbekannten Hintermännern der Ölmafia auf der Spur. Daß hohe Zollbeamte, Polizisten und wahrscheinlich auch Politiker in den Skandal verstrickt waren, wurde immer vermutet aber nicht nachgewiesen. Ein Teil des Gewinns soll in das Schmieren von Beamten investiert worden sein. Dem ungarischen Staat erwuchsen damals Verluste in Milliarden-Höhe. Es wurde aber nie Anklage gegen öffentliche Funktionäre erhoben. Alle Dokumente, die Aufschluß geben könnten, wurden zum Staatsgeheimnis erklärt und unterliegen einer Sperre von 85 Jahren. Karman hat jetzt einen Dokumentarfilm namens "Geölte Verhältnisse" gedreht, der nach Auskunft der ungarischen Journalistenunion MUOSZ demnächst ausgestrahlt werden sollte.

Karman liegt mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen in einem Budapester Krankenhaus und ist nach Angaben der Polizei nicht vernehmungsfähig. Weitere Details über den bisher schwersten Anschlag auf die Meinungsfreiheit im modernen Ungarn wollte der Budapester Polizeisprecher Endre Kormos nicht preisgeben. Ihr Landsmann Miklos Haraszti, Medienbeauftragter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), verurteile das Verbrechen scharf. Von der ungarischen Polizei erwartet er sich entschlossenes Auftreten und die baldige Aufklärung des Anschlags. Dieser wird gemeinhin als Warnung verstanden, sie solle die Finger von der Sache lassen. Mehrere Todesdrohungen, von denen auf der Website der Journalistin zu lesen ist, hatten die Mutter dreier Kinder offenbar nicht einschüchtern können.

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